Vom Genfersee nach Nizza

17 Tage auf den Pfaden des GR5

August/September 2025: Für dieses Jahr hatte ich den Sommer für eine Wanderung reserviert. ich wollte den alpinen Teil des GR5, den Grand Randonée 5, absolvieren. Der GR5 führt insgesamt von den Niederlande bis zum Mittelmeer, der alpine Teil startet am Genfersee und führt nach Nizza. Endlich, am 16. August startete ich in St-Gingolph. 22 km für den ersten Tag, doch das sollte machbar sein. Jedoch, ich musste feststellen, es würde zäh, sehr zäh werden.

Erst nach der Reservation der Hütte bermerkte ich, dass es dabei 2875 Meter nach oben und 1430 nach unten ging. Übermütig wagte ich dennoch den Start und stellte beim zweiten Pass fest, dass danach noch ein dritter Aufstieg folgte. Völlig verschwitzt und erschöpft kam ich um 19 Uhr in der Hütte an. Gut, eine Stunde später trudelte noch eine Frau aus Korea ein, diese war dann noch mehr am Limit als ich und machte am nächsten Tag gleich eine Pause.

Essen und Schlafen, ohne Dusche fiel ich zu Bett und schlief umgehend ein. Am zweiten Tag “schaffte” ich 37 Kilometer mit 1835 nach oben und 2965 nach unten. Dabei landete ich ohne Schweizer Franken in einem Schweizer Restaurant (der GR5 führt ca. 20 Kilometer in die Schweiz), unvergessen der kuriose Wechselkurs. 

Am dritten Tag war die Luft (Energie) “draussen”. Mit wackligen Beinen machte ich mich auf den Weg und durch die Schlucht. Bereits die ersten 200 Höhenmeter spürte ich sattsam, es “rollte” ganz und gar nicht.

Mühsam kämpfte ich mich langsam in die Höhe. Morgens um 11 Uhr gönnte ich mir ein (alkoholfreies) Bier, der Blick auf den späteren Wasserfall war trotzdem nicht glasklar, ich fühlte mich müde und erschöpft.

Der Aufstieg bis zur Hütte war markig und dort angelangt war ich unheimlich froh, dass ich einen Schlafplatz erhielt. Der Blick zum Mont Blanc konnte ich erst am späteren Abend geniessen. Vielleicht hatte ich zu wenig getrunken, vielleicht…

Am vierten Tag war ich ausgelaugt, schnaufte des Weges und hatte sattsam Zahnschmerzen. Gut eigentlich hatte ich diese schon in der Nacht in der Hütte und schlief erst spät ein.

Ausgelaugt kämpfte ich mich nach unten, die gut 1600 Höhenmeter (obwohl es ja hinab ging) kamen mir ellenlang vor. Danach kämpfte ich mich über ein Pässli auf 1600 Meter, beim Abstieg verpasste ich den Weg und machte gehörig Umwege. Um 3 Uhr am Nachmittag nahm ich Bus und Zug nach Hause.

Erst gute zwei Wochen später (und drei Zahnarztbesuchen) fühlte ich mich wieder fit. So machte ich mich am 2. September auf zur 5. Etappe. Wollte ich den GR5 noch dieses Jahr “schaffen”, musste ich mich beeilen.

Die Hütten in Frankreich schliessen Mitte September. Ohne eine gute Portion Wetterglück (und ohne Ruhetage) gelangte ich danach (deutlich entspannter – ohne Zahnschmerzen) über insgesamt 477 Kilometer nach Nizza.

Dabei galt es insgesamt über 31’000 Höhenmeter zu bewältigen (in beide Richtungen!). Dieses ewige Rauf und Runter dürfte ein Markenzeichen des GR5 sein. Mir ist kein Fernwanderweg mit diesen Dimensionen bekannt (nicht einmal die Via Alpina ist derart kantig).

Pro Tag ergab dies im Schnitt über 28 Kilometer und jeweils fast 1900 Höhenmeter (in beide Richtungen). Dabei bewegte ich mich meist auf Pässen zwischen 2400 und 2800 Metern, wobei die Täler jeweils auf 900 bis 1500 Metern lagen. Differenz, rechne selber!

Am zweitletzten Tag, der “schwersten” Etappe,  waren es 36 Kilometer mit 3150 rauf und 2855 runter, bei steinigen Wegen und (als einzigem Tag) bei Regen, wenn auch auf tiefem Niveau.

Ansonsten konnte ich die Wanderung ab Tag 5 gut geniessen, ich fühlte mich fit und bewältigte die letzten 12 Tage bei durchschnittlich über 30 Kilometer und mehr als 2000 Höhenmeter pro Tag.

Am 12 Tag bewältigte ich am morgen zwischen 9 und 12 Uhr gute 1000 Höhenmeter und 13 Kilometer in unter 3 Stunden, die offizielle Wegangabe lag dabei bei sechs Stunden. Gut, bergab rannte ich ein wenig, doch war der Pfad an diesem Tag auch angenehm erdig (wenig Steine).

Diese Leichtigkeit hatte ich auch neuen Wanderschuhen und (wichtig) guten Wandersocken und (erstmals) Stöcken als Hilfsmittel zu verdanken. Ebenfalls gönnte ich mir einen leichteren (kleineren) Rucksack. Drohne und Kamera fanden trotzdem Platz. Aber, ich genoss primär die Landschaft und so wird es wohl nur einen kleineren Film geben.

Unterwegs übernachtete ich oft in Hütten, das Essen war sensationell, die Preise sehr moderat. Wer das Schlafen in den Mehrbettzimmern nicht mag, kann gerne ein Zelt mitschleppen. Diese Option ist auch notwendig, wer im Juli/August ohne Reservierungen unterwegs ist.

Neben der mirakulös endlos weiten und schönen Landschaft bleiben viele tolle Begegnungen zurück.

Dabei traf ich die meisten nur jeweils an einem Tag, denn am nächsten Tag war ich bereits ein zwei Hütten (Etappen) weiter.

Eigentlich weiss ich auch nicht genau, warum ich derart fit über die Berge “rollte”. Vor jedem Anstieg (manchmal bis zu 2000 Höhenmeter am Stück) wollte ich einfach immer schnell die Hälfte haben, die zweite Hälfte ergab sich dann von allein.

Auf jeden Fall fand ich genügend Zeit, um Landschaft wie Orte in vollen Zügen zu genüssen. Besonders erwähnen möchte ich hier das Chàteau Queyras.

Ideal war dabei sicher die Jahreszeit. Auf den ersten vier Tagen war es zuweilen brutal heiss, im September angenehm warm, die Handschuhe brauchte ich kein einiges Mal.

Landschaftlich war die gesamte Reise ein unvergleichlicher Genuss, diese Weite, diese Einsamkeit, diese Ruhe. Einzig die Murmeltiere pfiffen jeden Tag um die Wette.

Ab und dann spürte ich meine Füsse schon etwas am Abend, aber insgesamt auf deutlich tieferem Niveau als bei meiner Wanderung vom Bodensee nach Wien.

Der GR5 war gut markiert, zuweilen sind die Pfade gar ausgetreten. Schwieriger wurde es, wenn ich mal eine “Abkürzung” nahm, dann galt es Weg suchen und einige Male landete ich auch in den Büschen.

Gegen Ende der Reise spürte ich, wie langsam der Herbst Einzug hielt. Die Farben wurden von Tag zu Tag satter. Nicht mehr ganz so einfach war das Finden der Unterkünfte. In der obigen Holzhütte musste ich nicht übernachten, aber in einer sehr kleinen (teuren) Ferienwohnung leider schon. Die Hotels sind Mitte September (analog zu den Hütten) meist bereits geschlossen.

Der erste Blick auf das Meer erfolgte am zweitletzten Tag, mehr als 50 Kilometer von Nizza entfernt. Ansonsten ist mir dieser Tag als lang (bei über 3000 Höhenmetern wohl auch nicht verwunderlich) in Erinnerung geblieben, ebenso ein Weg, der im steilen Waldhang endete, wobei die Flucht nur über eine Wiese nach unten und erneutem Anstieg gelang.

Am letzten Tag wanderte ich mit traumhaftem Blick auf dem Balkon von Nizza Richtung Meer. Die Ansteige waren nicht mehr ganz so lang, aber 1675 Meter nach oben und 2440 nach unten bei teils felsigen Pfaden und 37 Kilometern bis zum Hotel, galt es zu verdienen.

Unten in Nizza selber erwartete mich die Hektik, aber auch schöne Altbauten. Leider fand am 14. September in Nizza auch der Ironman statt, der Zugang zum Meer gelang erst in einer längeren Schlaufe.

Die Ankunft am Meer war bizarr. Begleitet durch das Ironman-Gedröse ging die Ruhe etwas gar unter – und den Strand in Nizza gibt es auch nicht für sich alleine. So schwelgte ich am Meer in den imposanten Bildern des GR5 und genoss gleichzeitig das Rauschen, das es am Genfersee natürlich nicht gibt.

Die 17 Tage waren insgesamt recht sportlich, der GR5 kann auch in 25, 30 oder 40 Tagen bewältigt werden. Aber auch bei 25 oder mehr Tagen muss klar sein, auf dem GR5 zwischen dem Genfersee und Nizza geht es entweder rauf oder runter. Ein Dazwischen gibt es nicht. Das macht aber irgendwie auch den Reiz aus, denn hinter jedem hohen Pass wartet eine neue imposante Landschaft, die einen (fast) jede Anstrengung vergessen lässt.

« HomeTrient-Athen mit dem Velo »


Newsletter