Eichgraben-Wien

Etappe 25: Mit einem Mauer-Marathon zum Ziel

Start: 306 m.ü.M, Ziel: 191 m.ü.M, Min: 182 m.ü.M, Max: 596 m.ü.M
Weg: 12 Std, 40 km, ↗ 1094m, ↘ 1209m, GPX-Track, KML-Pfad, Karte

27. April 2024: Der letzte Tag! Gemäss Routenplanung erwarten mich 37 Kilometer. Am Ende sollte es ein vollendeter Marathon mit über 42 Kilometern werden. Und ich gebe zu, das Malheur hätte mir an sich nicht passieren dürfen. Immerhin sei hier angeführt, das der hier publizierte Track die “chinesische” Mauer von Wien umschifft. Aber selbst wer “korrekt” läuft, es bleibt eine lange, gar die längste Etappe. 40 anstelle von 42 Kilometern, so viel weniger ist auch dies nicht.

Der Morgen beginnt schattig und gemütlich. Kurz ein paar Häuser erschnuppert, bald bin ich wieder in diesen gewaltigen Wäldern vor Wien.

Ich gebe zu, auf den Bildern mögen diese Waldbilder vielleicht etwas monoton und gleich wirken, aber im Erlebnis vor Ort geht von diesen Millionen von Bäumen eine magische Ruhe und Kraft aus, die mich alle Strapazen vergessen lassen.

Ein letztes Mal steigt der Weg markant an. Es gäbe auch eine etwas kürzere Route unten im Tal, doch führt diese durch die Vororte und der Autobahn entlang. Für eine tolle Waldroute bin ich auch am letzten Tag gerne bereit, ein paar Höhenmeter mehr zu laufen. Oben angekommen grüsst eine Honig-Kistl.

Wer die Tür öffnet, findet darin allerlei Produkte aus Honig zum Kauf. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es derart viele Angebote in Selbstbedienung gibt.

Der Ausblick in den Wiener Wald ist weit, ein Ende längst nicht in Sicht.

Ich wandere an einer Pferdefarm vorbei und gelange auf einer Anhöhe zum kleinen Tierpark Wolfsgraben. Drei Lamas bzw. eine Gruppe, welche den drei Vierbeinern folgt, begegnet mir. Später folgt der gleichnamige Ort Wolfsgraben.

Einmal mehr lande ich in einer Sackgasse, diesmal einer Einfamilienhaussiedlung, und verdiene mir einen Umweg von ca. einem Kilometer. Es gäbe zwar abermals eine Abkürzung durch die Häuser, aber ich bevorzuge die wenig befahrene Hauptstrasse, die direkt an der Kirche vorbeiführt.

 

Am Wegrand grüssen allerlei Schilder, z.B. für die Maibaumaufstellung, die am 30. April erfolgen wird. Die Bäume würden traditionell gebracht und von Hand aufgestellt. Wir sind nun ca. 25 Kilometer vor Wien, und doch scheint mir, solche Schilder liessen sich überall in Österreich finden.

Gemäss meiner Planung wandere ich auf schattigen Waldpfaden bis an die Stadtgrenze von Wien bzw. bis zum Schloss Schönbrunn.

Doch leider ist auch heute der Wurm drinnen. Ca. 20 Kilometer vor Wien treffe ich auf ein riesiges Mauerwerk. Dort, wo ich durch müsste, gibt es ein Tor. Allerdings ist dieses verschlossen und auch die Mauer ist ca. 3 Meter hoch. Ein Durchkommen unmöglich. Ich entscheide mich, der Mauer nach links zu folgen.

Für mehr als einer Stunde folge ich der Mauer. Was für eine seltsame Anlage? Nirgends ein Durchblick, ein Fenster oder gar eine Türe.

Und als wäre dies nicht bereits genügend Betonbegleitung, kreuze ich später auch die West-Autobahn. Noch später sehe ich die Industrie von Wien. Nicht gerade das, wie ich es mir vorgestellt habe.

Ein Zurück zum Track würde viele Kilometer zusätzliche Umwege bedeuten, sodass ich mehr oder minder entweder der Autobahn, dem Strommasten oder der Mauer entlang laufe. Manchmal gibt es auch Mauer und Autobahn.

Erst sehr spät finde ich ein Tor, das in den Lainzer Tiergarten führt. Am Abend lese ich nach, dass der Lainzer Tiergarten ein Naturpark ist. Die “chinesische” Mauer umfasst gute 22 Kilometer. Es hätte auf der Westseite auch ein Einlasstor gegeben, doch hätte ich dabei nach rechts wandern müssen.

Weil Wien etwas links lag, nahm ich die linke Variante. Dort aber gibt es bis nach Wien selber auf weit über 10 Kilometern keine “Pforte”. Einst war der Lainzer Tiergarten Jagdrevier der Monarchen. Bereits 1770 wurde eine Mauer aus Mörtel gebaut. Ein Herr Schlucker soll derart günstig gebaut haben, dass ihn die Konkurrenz als armen Schlucker zu diskreditieren versuchte.

Was wohl gelang (das Sprichwort etablierte sich), doch die Mauer wurde fertiggestellt und seit da gibt es (ausser bei den Einlasstoren) kein Durchkommen. Im Track obenstehend ist der Eingang zum Laaber Tor korrekt vermerkt, sodass auch die letzten Kilometer mit viel Ruhe und Schatten genossen werden können. Ich gebe an dieser Stelle zu, mit etwas mehr Planung hätte ich dies wohl auch vor der Tour herausfinden können.

Mein Weg führte mich mit reichlich viel Sonne etwas gar brutal in die Zivilisation zurück. Erst beim Schlosspark von Schönbrunn treffe ich wieder viel Grün an. So schön der Park auch angelegt ist, nach soviel Natur erscheint mir der Park jetzt nicht derart urgewaltig wie die Landschaft, die ich vom Bodensee nach Wien erleben durfte.

Das Schloss selber ist gross, aber nicht gigantisch. Und ja, für sich alleine ist bei Schloss Schönbrunn wohl niemand.

Wer mag, kann Schloss Schönbrunn von innen besichtigen. Etwa 35 Euro sind an Eintritt zu bezahlen.

 

Ich verzichte auf den Besuch, noch mehr laufen, selbst durch kaiserliche Gemächer, mag ich nicht!

Nicht ganz überraschend möchte ich die Wanderung abschliessen. So wandere ich weiter durch die Stadt Wien und zähle die Kilometer, die bis zum Stephansdom verbleiben. Fünf, vier, drei, zwei und eins zähle ich.

Die letzten Kilometer sind in zweifacher Hinsicht hart. Einmal, weil es überall von all den Restaurants her köstlich riecht und weiter, weil ich mich nicht mehr gewohnt bin, durch eine solche Menschenmenge zu wandern.

Erst kurz vor dem Dom stimmt das Tempo für mich wieder. Eine Kutsche fährt langsam durch die Gasse. Hinter der Kutsche folgen ein paar Taxis, die sich gedulden müssen. Ob die Geduld beim Fahrer oder beim Gast, der die Zeche ja bezahlen dürfte, mehr strapaziert wurde, kann nicht gesagt werden. Mir schienen aber die Fahrer/innen irgendwie nervöser zu sein.

Dann, kurz vor sechs Uhr am Abend bin ich beim Dom. Mit geballtem Abendleuten werde ich allumfassend begrüsst und beschallt.

 

Es kommt mir sehr eigenartig vor. Fast 25 Tage war ich meist alleine unterwegs, hatte die gesamte Natur für mich und die Ruhe obendrein. Jetzt, am Dom in Wien herrscht ein derart emsiges Treiben, dass ich einen Moment benötige, um die Freude der Ankunft geniessen zu können.

An einem Stand kaufe ich ein Eis. Ich setzte mich auf eine Bank, die Füsse schmerzen. Zu dieser Zeit weiss ich noch nicht, dass ich heute wandernd einen Marathon geleistet habe. Letztlich ist dies aber auch egal.

Ob ich jetzt gute 42 oder “nur” 40 Kilometer laufe, das spielt am Ende einer solchen Tour keine Rolle. Nicht einmal, ob ich 20, 30 oder 40 Kilometer gehabt hätte. Für mich zählen die Eindrücke, all die vielen Bilder der vergangenen 25 Wandertage.

In dieser Zeit habe ich einmal mehr gelernt, irgendwo gibt es immer einen Weg. Und selbst als ich arg über dem Limit war und nur noch auf eigenen Füssen (oder allen vieren) den Berg hinunter wollte, hat mir die Natur viel Kraft gegeben.

Jetzt, wo ich diese letzten Zeilen schreibe, sind bereits wieder zwei Tage vergangen. Morgen geht es mit dem Zug zurück in die Schweiz, zurück in den Alltag am Bürotisch.

Meine Reise vom Bodensee nach Wien ist damit Geschichte. Die starken Bilder und Eindrücke werden bleiben. Mit viel Wonne wandere ich gedanklich die Strecke immer wieder ab. Ohne jede Anstrengung darf ich diese Reise nun in meinem Rucksack legen. Und ja, es gab schon Momente, wo ich das Teil oder den Inhalt am liebsten ausgesetzt hätte. Diese Anstrengung ist aber bereits derart weit weg, dass etwas Gepäck am Rücken kein Vergleich zum Naturerlebnis Wandern darstellt.

Und ja, es mag sein, dass ich zuweilen schlechtes Wetter hatte, aber auch dies erscheint mir rückblickend nicht der Rede wert, denn gerade bei Regen und Schnee erlebte ich eine derart tolle Natur, dass vier Wochen Sonnenschein mir geradezu langweilig erscheinen.

So aber erlebte ich eine Vielfalt, die ich in vollen Zügen vom ersten bis zum letzten Tagen geniessen durfte. Und die paar nicht so lustigen Momente am 23. Wandertag, auch die sind mittlerweile fast schon wieder vergessen.

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