Schwarzenbach-St. Veit an der Gölsen

Etappe 23: Über dem Limit knapp durchgekommen

Start: 588 m.ü.M, Ziel: 367 m.ü.M, Min: 360 m.ü.M, Max: 1156 m.ü.M
Weg: 12 Std, 32 km, ↗ 1657m, ↘ 1878m, GPX-Track, KML-Pfad, Karte

25. April 2024: Das Frühstück am Morgen ist reichhaltig, das B&B Waldblick auch in dieser Hinsicht mehr als nur zu empfehlen. Ich wandere durch den kleinen Ort Schwarzenbach. Noch habe ich das Gefühl, alles ist beschaulich und die Welt ist (zumindest wandertechnisch) in Ordnung.

Es folgt ein Aufstieg in die Höhe, bereits das Finden des Weges am Ortsende bereitet etwelche Schwierigkeiten, später ein überwachsener Wegweiser. Das Ziel ist nicht mehr auszumachen, die Richtung schon.

Bald gewinne ich an Höhe, der Blick zurück zeigt eine bergige Hügellandschaft mit weissen Gipfeln obendrauf. Am Vorabend habe ich intensiv nach einer Route gesucht, die den Kontakt zum Schnee möglichst meidet, indem ich anstelle der knapp 1200 Metern nur kurz die Tausendergrenze überschreite.

Auf ca. 900 Metern Höhe der erste Kontakt mit Schnee. Es ist wohl knapp über Null Grad, das Laufen im Schnee stellt kein Problem dar.

Ich geniesse die Bäume und Sträucher entlang des Weges, die Natur umgibt mich in weiss-grüner Farbenkraft, alles noch im grünen Bereich.

Oben auf einer Anhöhe sehe ich den weissen Gipfel. Ich wähne mich glücklich, nicht derart hoch laufen zu müssen und folge meinem Track auf dem Navi. Schnell realisiere ich, es wird wohl heute kein entspannter Tag. Es geht auf nassem rutschigen Terrain in die Tiefe, der Weg ist glitschig. Ratsch und ich lande auf dem erdigen Boden. Die Hosen sind dreckverschmiert und nass.

Unten ist der Weg besser. Voller Zuversicht folge ich einem Kiesweg, der langsam in die Höhe führt. Bei einer Kehre müsste ich gemäss Navi geradeaus. Nur, da ist kein Weg. Nichts, einfach nichts. Ich klettere zwischen eine Holzbeige hindurch und gelange zu einem hohen Zaun.

Hinter dem Zaun erspähe ich den Weg, den ich wohl gehen müsste. Ich überlege mir zu klettern, aber die Maschen sind einigermassen eng und ich weiss ja nicht, was im Gehege folgt bzw. ob und wie ich wieder hinaus käme. Ich suche nach einer Öffnung, laufe dem Zaun entlang in die Höhe, dann in die Tiefe, dann folge ich dem Kehrsträsschen in die Höhe und folge dort einem Pfad. Nichts, einfach kein Durchkommen.

Auf dem Navi stelle ich fest, dass ich wohl am einfachsten in die Höhe laufe. Dabei wandere ich zwar fast zurück zur Abzweigung, bei der ich den Weg über den Hügel vermeiden wollte. Natürlich könnte ich auch alles zurücklaufen. Dabei müsste ich aber nochmals in Tiefe und den glitschigen Weg hinauf. Und, es wäre auch ordentlich weiter. Das einzige Problem stellen ca. 100 Meter dar, auf der gar kein Pfad markiert ist. Es sollte dort aber Wald haben, also sollte ich wohl durchkommen.

Und so war es denn auch. Ich laufe zurück in die Höhe und beim Wegende kraxle ich zwischen den Bäumen in die Höhe. Nüchtern betrachtet habe ich für ca. 300 Meter Vorwärtskommen knappe zwei Stunden benötigt. Und ich wandere nun dort, wo ich eigentlich nicht hin wollte, nämlich im Schnee über den Berg.

Erstaunlicherweise ist der Weg weder schwierig noch hat es übermässig viel Schnee. Etwa einen halben Kilometer vor dem Gipfel gelange ich zu einem Fahrweg. Es scheint, als wäre erst vor kurzem ein Fahrzeug hochgefahren.

Ich bin komplett im Winter, die Aussicht hingegen ist grandios, schlicht atemberaubend. Der Eisenstein ist mit 1185 Metern wohl der einzige Gipfel, den ich auf der Tour vom Bodensee nach Wien erklimme.

Oben auf dem Eisenstein gibt es gar eine Hütte. Die Julius-Seitner-Hütte bietet willkommene Möglichkeit zur Einkehr. Ich trete in die Hütte ein. In einer Art Winterraum können in Selbstbedienung Getränke erworben werden, ein Hüttenbuch liegt für Eintragungen bereit.

Draussen entdecke ich ein abenteuerliches Fahrzeug. Es scheint, als müsste der Hüttenwart anwesend sein. Nach einigen Minuten öffnet sich eine Türe. Der Hüttenwart meint, ich dürfe schon in die warme Stube kommen, er habe zwar Ruhetag, d.h. er biete keine Speisen an, aber an die Wärme dürfe ich schon.

Wir kommen ins Gespräch. Ich erfahre, dass die Hütte ganzjährig geöffnet sei. Ausser im Juli, da sei es hier zu heiss. Es habe ferner fast den ganzen Winter keinen Schnee gehabt, aber jetzt sei es der zweite Schnee im April. Der Hüttenwart bietet mir an, für mich als Weitwanderer eine Suppe zu machen. Leider nehme ich das Angebot nicht an und sollte es später bereuen.

Ich erzähle von meinem Umweg, worauf er meint: Ach, der Jagdförster, der will halt sein Wild für die Jagd “eingepfercht” haben. Er zeigt mir die WanderApp von Niederösterreich, dort ist (wenn auch winzig klein) der Zaun eingezeichnet.

Der Abstieg führt durch viel Schnee. Es sind wunderbare Winterstimmungen, die ich erlebe, aber der Weg ist streng und ich komme nur langsam voran. Wie gesagt, ich hätte das Suppenangebot annehmen sollen.

 

Für eine gute Stunde wate ich durch den Schnee. Endlich geht es leicht abwärts, doch ist der Weg nun glitschig und erneut gehe ich zu Boden, der Aufprall leider nicht immer weich.

Erstmals auf meiner Tour komme ich an meine Grenzen. So bin ich mehr als froh, als ich weiter unten auf eine Forststrasse treffe. Ich bin wieder beim Zaun und zu meiner Verwunderung gibt es an dieser Stelle gar eine Türe, um in das Gehege reinzukommen.

Im Gehege treffe ich in der Tat auf reichlich Wild. Nach einer halben Stunde geht es wieder aus dem Gehege raus. Draussen finde ich den Pfad erneut nicht, es gibt einfach keinen Weg. Ich wandere einem Strässchen entlang, das später zum Track kommen sollte. Dort begehe ich den fatalen Fehler, dass ich rechts nach unten abbiege.

Glücklich wieder auf dem Weg zu sein, bemerke ich erst ca. 200 Höhenmeter tiefer, dass ich falsch liege, komplett falsch. Bis ich mir eingestehe, dass dem so ist und dass der einzige Weg zurück über den Hügel führt, das muss ich erst verdauen. Ich bin am Limit, reichlich über dem Limit. Spät am Abend sollte ich feststellen, dass ich 39 Kilometer und 2200 Höhenmeter hinauf und 2400 runter absolvierte.

Jetzt bei Tage vernehme ich ein Zittern in meinen Knien und stämpfle mit letzter Kraft zurück in die Höhe. Oben stelle ich fest, dass eine zarte Spur nach links zum Engleitensattel führt. Es geht dabei etwa 10 Höhenmeter in die Höhe. mehr nicht. Aber ohne diese paar Meter links hinauf bzw. nach rechts führt der Weg hinunter nach Türnitz, was einen Umweg von ca. 15 bis 20 Kilometer bedeutet.

Wie ich es hinunter ins Tal schaffe? Irgendwie halt, ich weiss nur noch, dass mich noch nie der Lärm einer Motorsäge derart beglückt wie hier.

Zwar sind es auch ab da noch etliche Kilometer ohne Einkaufsmöglichkeit, aber ab da weiss ich, es irgendwie hinzukriegen.

Dann endlich treffe ich auf die ersten Häuser von Schrambach. Ein paar Schrammen habe ich abbekommen und ich bin damit noch gut gefahren. Es hätte durchaus schlimmer enden können.

Im ersten Laden an der Wegstrecke in Lilienfeld gönne ich mir reichlich Nachschub. Ich bin müde, es ist bereits abends um fünf Uhr. Am liebsten würde ich das Bähnchen nach Wien nehmen. Nur hätte ich dann noch fast 80 Kilometer nach Wien, das würde ich in zwei Etappen dann nie bewältigen können.

Müde torkle ich weitere neun Kilometer zunächst dem Flüsslein Traisen entlang. Unterwegs braust an mir ein Bus mit dem Endziel “Wien” vorbei. Ich wandere über eine leichte Anhöhe hinüber nach St. Veit.

Entlang des Weges begegne ich vielen kleinen Weilern, es sind nun eindeutig flachere Gefilde, in denen ich mich bewege.

Im Prinzip wollte ich heute bis nach Rohrbach, dann wären es noch ca. 65 Kilometer bis nach Wien. Abends um sieben Uhr gebe ich in St. Veit an der Gölsen entkräftet auf. Mit einem kleinen Bahnlein (Tickets können im Zug gelöst werden) tuckere ich nach St. Pölten und von dort mit dem RailJet nach Wien.

Die letzten zwei Etappen bewältige ich von Wien aus. Dies hat den Vorteil, dass ich keinen schweren Rucksack mehr schleppen muss und ich kann die Strecke nach meinen Kräften einteilen, selbst ein oder zwei Ruhetage könnte ich mir gönnen, nur hätte ich danach keine Urlaubstage in Wien mehr. Mal sehen, wofür ich mich entscheide. Erst einmal schlafen, dem Körper Ruhe gönnen.

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