Lackenhof-Schwarzenbach an der Pielach

Etappe 22: Am Limit im Schnee zum Treffingfall

Start: 772 m.ü.M, Ziel: 588 m.ü.M, Min: 501 m.ü.M, Max: 1031 m.ü.M
Weg: 10 Std 10, 30 km, ↗ 1397m, ↘ 1581m, GPX-Track, KML-Pfad, Karte

24. April 2024: Um sieben Uhr am Morgen starte ich, eingepackt mit Regenschutz, Kappe und Handschuhe. Es schneit wie vom Wetterbericht her so erwartet. Etwa 300 Höhenmeter hinauf muss ich. Ob ich da heute durchkomme?

Nun, zur Not gäbe es einen Bus zurück in die Zivilisation. Und der Ort Lackenhof vermittelt ja durchaus schon auch mit all seinen touristischen Bauten zivilisatorische Züge. Auf dem Schild rechts (mit Schnee bedeckt kaum zu erkennen) steht Weltcuport. Etwas weiter, im Ortskern viele Tafeln zu Ferienwohnungen und Hotels. Und ein Schild: “Naturpark Ötscher-Tornhäuer”. Rechts auf dem Schild ein Bär. Ein Bär?

Gemäss der Homepage des Naturparkes scheiterte ein Ansiedelungsprojekt kurz nach der Jahrtausendwende. Heute gäbe es keine sesshaften Bären im Nationalpark, einzig durchziehende Individuen gäbe es. Das alles weiss ich an diesem Morgen noch nicht und so hoffe ich innig, allfällige Bären würden noch Winterschlaf halten.

Hinter mir naht ein Schneepflug. Nur kehrt der kurz darauf um, nach der Ortsendetafel gibt es keine Schneeräumung mehr. Später finde ich Spuren im Schnee und weit vor mir die Silhouette einer Person. Oder sind es gar zwei Personen? Ich versuche die Person(en) einzuholen. Es bleibt beim Versuch, auf der Anhöhe führt die Spur nach links, mein Weg nach rechts.

Ich befinde mich nun im tiefsten Winter, der Schneefall ist recht kräftig. Mein Pfad führt auf einer Forststrasse leicht in die Höhe. Am Anfang hat es Fahrspuren. In den Rillen lässt sich noch relativ einfach laufen. Später (beim ersten und einzigen Wendeplatz) enden die Spuren. Ich wate nun zuweilen fast knietief durch den Schnee.

Ich bilde mir ein, die 3. Etappe sei viel anstrengender gewesen, aber so sicher bin ich mir nicht. An sich müsste ich den Kulminationspunkt bei knapp 1000 Metern längst erreicht haben, aber ob es wirklich nach unten geht, ich weiss es nicht.

Endlich, nach langem Waten durch den Schnee folgt ein sanfter Abstieg. Ich wähne mich bereits auf der sicheren Seite, denn auf dem Fahrweg hat es nun deutlich weniger Schnee — und sollte mich doch markant täuschen. Mein Navi zeigt urplötzlich nach links, es geht auf einem Bergweg, dessen Existenz ich nicht wirklich ausmachen kann zunächst leicht, später steil nach unten.

An einem über den Weg gefallenen Baumstamm bleibe ich hängen. Kopfüber lande ich im Schnee. Der Aufprall (Schnee sei Dank) war weich. Mit letzter Kraft schiebe ich mich zurück über den Stamm und nehme einen zweiten Anlauf. Diesmal klappt es, doch war das kleine Malheur nicht wirklich hilfreich für mein Selbstvertrauen. Später bei der Ankunft in Schwarzenbach sollte ich feststellen, dass die Regenhosen zwei grosse Löcher aufweisen — war wohl der Baumhänger.

Der weitere Abstieg ist anstrengend. Ich staune, wie weit hinunter der Schnee liegt. Und, als ich endlich im Grünen bin, der nächste Schock. Ich muss einen Bach queren, eine Brücke gibt es nicht. Mit viel Balance schaffe ich es einigermassen trocken über das nasse Ungetüm.

Das gleiche Prozedere wiederholt sich weiter unten nochmals. Diesmal hat es sogar ein Brett. Leider gelingt mir hier die Balance nicht mehr und ich rutsche seitwärts ab dem Brett direkt in das Nass. Ob meine Füsse bereits vorher nass waren, weiss ich nicht. Jedoch bilde ich mir ein, die Schuhe seien auch jetzt gar nicht so klatschnass.

Später treffe ich zwei Menschen, die mit einer Reche den Weg säubern. Wo ich hin wolle, fragt mich der ältere Herr. Nach unten, erwidere ich. Das sei gut, es gebe da eine Jausehütte, da könne ich mich erwärmen. Leider sollte ich später feststellen, mein Weg führte nicht bis nach unten, die Gaststätte habe ich folglich nie erblickt.

Der Weg ist fast schon wuchtig in den Felsen gehauen. Landschaftlich ist es auch heute ein Traum. Ich erblicke eine Hängebrücke und denke, endlich, es geht über den Bach.

Nun, von der Nähe betrachtet, bin ich nicht wirklich traurig, dass ich doch nicht über die Brücke muss. Das Teil hängt unvollendet bzw. halb zerstört über dem Fluss.

Das Tal wird immer enger, es folgt eine Art Schlucht und dann lande ich doch tatsächlich bei einem riesigen Wasserfall. Der Treffingfall ist satte 120 Meter hoch. Mein Wanderweg führt dem Wasserfall hinauf. Das ist zwar reichlich Arbeit, die Blicke auf das rauschende und tobende Wasser sind aber schlicht sensationell.

 

Gerade heute bei den starken Niederschlägen tobt das Wasser in alle Richtungen. Der Weg schlängelt sich dem Wasserfall entlang in die Höhe. In der Mitte gibt es eine Brücke, danach geht es durch die Felsen zum Beginn des Naturspektakels. Der Weg ist gut gesichert.

Oben wandere ich in einem kleinen Tal einem kleinen Flüsslein entlang. Fast unvorstellbar, dass dieses kleine Nass kurze Zeit später derart wuchtig den Fall runter braust.

Endlich, ein kleiner Weiler, eine geteerte Strasse führt in die Höhe zum Ort Puchenstuben. Exakt um 12 Uhr erreiche ich die Anhöhe, auf dem der Ort in die Landschaft gebettet ist. Insgesamt vier Schilder von Restaurants mache ich aus. Wie ein streunender Kater suche ich ein offene Pforte. Doch das einzige Licht erblicke ich im Schulhaus, alle anderen Türen (insb. jene der Restaurants) sind geschlossen.

Am Wegrand erblicke ich ein Schild: “Puchenstuben Bahnhof, 0.8 km”. Eine letzte Chance für ein Zurück in die Zivilisation? Leider nein, die Bergbahnstrecke nach Mariazell wird nur im Sommer und auch nur an speziellen Terminen bedient.

Ein solcher Termin ist heute kaum angezeigt. Mein Weg führt unter dem Bahnviadukt steil abfallend in die Tiefe. Auch hier liegen allerlei Bäume und Sträucher auf dem Weg. Hängengeblieben bin ich nicht mehr, aber streng war der Abstieg schon.

Unterwegs verdrücke ich schnell eine Banane und etwas Schokolade, mehr gibt es heute nicht. Wasser hätte es von oben gegeben, aber ich hatte unterwegs keinen Durst. Abgesehen davon hatte ich auch nichts dabei, aber heute brauchte ich wirklich keine Tranksame beim Laufen. Selbst bei den Aufstiegen schwitzte ich nicht wirklich, ich bin froh, beim Hochlaufen nicht zu frieren.

Unten bei der Strasse folgt der Anstieg auf den nächsten (letzten) Hügel. Einen Namen finde ich auf der Karte keinen. Am Anfang gibt es steil ansteigenden Asphalt, später ist es ein Kiesweg. Ich laufe zum Glück ohne Schnee, zumindest beim Aufstieg.

Oben auf der Anhöhe gäbe es die Hermine-Hütte. Ob sie geöffnet gewesen wäre, habe ich nicht getestet. Das Gebäude sah zwar sehr einladend aus (inkl. Kamin und Sitzmöglichkeiten), nur war ich bereits derart durchnässt, dass ich lieber schnell zur Unterkunft wollte.

Den Abstieg im übrigen gilt es zu verdienen. Nur dank Navi-Technik finde ich den Weg. Ganz generell hatte es heute immer bei den Abstiegen erklecklich viel Schnee. Immerhin hat es hier keine Bäume auf der Strasse, diese stehen allesamt noch artig formiert als Wald.

Nach kurzer Zeit erwartet mich bald wieder ein sattes Grün und ein paar kläffende Hunde. Eine Begegnung gibt es nicht, die Vierbeiner sind alle hinter dem Weidehag.

Unten im Tal zeigt sich sozusagen versöhnend und zum Abschluss die Sonne. Bis ins Tal, es ist zum Glück nur noch ein Katzensprung.

Etwa 200 Meter vor meiner Pension Waldblick grüssen am Wegrand viele Schuhe, dazu gesellt sich eine Tafel, die darauf hinweist, dass der Abfall nicht liegengelassen werden soll. Ich denke mir eher, ich könnte ein paar neue Schuhe gebrauchen. Nur leider sind die allesamt auch nass und so brächte ein Wechsel keine Besserung.

Endlich, kurz nach drei Uhr, nach etwa acht Stunden bin ich im Trockenen. Schnell die nassen Klamotten ablegen, und dann umwickle ich mich mit der Bettdecke. Dazu esse ich Brot und Käse und trinke ein paar Fläschchen Limo und Wasser. Jetzt, nach getaner Arbeit verspüre ich Hunger und Durst.

Erwähnt sei noch, dass ich sehr aufmerksame Gastgeber habe. Aus fünf Gerichten durfte ich meinen Favoriten auswählen. Reis mit Erbsencurry und Fladenbrot, es war köstlich. Das junge Paar, welches den Waldblick betreibt, stammt ursprünglich aus Grossbritanien und ist in der tollen Landschaft nahe beim Ötscherpark ganz einfach hängengebllieben. Selbst bei dem “gruseligen” Wetter von heute kann ich dies gut nachvollziehen, denn landschaftlich betrachtet war auch die heutige Etappe fantastisch schön.

Dem sei angefügt, physisch und psychisch war ich zuweilen schon ziemlich am Limit, hoffen wir auf Besserung für morgen.

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