Anspruchsvolle Familien-Tour entlang den Ostalpen
Wer mit Kindern radelt, beginnt die Abenteuer vor der eigenen Haustüre. Erst geht es um einige Schlaufen, dann kommen die Quartiere und irgendwann die erste richtige Ausfahrt. Im Jahre 2015 war es soweit. Zum ersten Mal ging es um den Greifensee (19 km).
Im letzten Jahr folgten die Routen Zürich–Rapperswil (37 km), Rapperswil–Walenstadt (50 km) und dann im Spätherbst die zweitägige Tour von Walenstadt über Sargans nach Feldkirch (44 km) und von dort weiter über Bregenz nach Friedrichshafen (75 km). All diese Wege haben den Vorteil, dass fast keine Höhenmeter zu meistern sind.
In diesem Jahr stellte sich die Frage, ob es vom Bodensee weiter dem Rhein entlang Richtung Atlantik oder ob es eher Richtung Osten gehen sollte. Der Entscheid fiel einstimmig für die Tour Richtung Osten, denn da lockten das Allgäu, viele Seen, das Schloss Neuschwanstein, der Chiemsee, Salzburg, nochmals viele Seen, das Salzbergwerk in Hallstatt, die Alpenüberquerung, die Enns und die Mur und schliesslich das Ziel Graz.
Eine solche Route ist nicht ohne ziemlich viele Höhenmeter zu machen. Vom Alter der Kinder her (derzeit sieben- und zehnjährig) wäre eine solche Tour erst für das Jahr 2018 geplant gewesen. Doch dann reizten die tollen Prognosen über Auffahrt, und so buchten wir kurzfristig die letzten Zimmer, die verfügbar waren, um — quasi als Versuch — die ersten vier Etappen über Auffahrt zu meistern.
Als Zwischenziel wählten wir den Tegernsee, weil damit bereits das erste Drittel der Strecke geschafft ist. Die restlichen zwei Drittel planten wir für den Sommer. Wer früh plant, wird bei den Hotels bessere Preise (als wir) kriegen, gerade die Zeit über Auffahrt und die Sommerferien sind begehrte Urlaubszeiten. Auf der anderen Seite erhielten wir mit Glück auch ein Zimmer im Viersternhotel im Schloss um die 200 Euro als Last-Minute-Angebot.
Definitiv schwierig zu buchen ist ein kurzfristiger Halt in Neuschwanstein. In Füssen sind alle Hotels ausgebucht, auf der Homepage einer einfachen Herberge wird der Zimmerpreis bei ca. 70 bis 90 Euro ausgegeben. Bei der persönlichen Anfrage wird ein Familienzimmer für 250 Euro offeriert. Mit viel Suchen finden wir in Schwangau (gleich nebenan) eine günstigere Herberge.
Aber auch wer das Schloss Neuschwanstein besichtigen will, muss die Tickets minimal zwei Tage im Voraus reservieren und sie spätestens eine Stunde vor der Führung vor Ort abholen und dort bezahlen. Die Besichtigung erfolgt immer geführt, und zwar von 9:00 bis 17:00 Uhr. In unserem Falle buchten wir die Tour für 17:00 Uhr (Abholung bis vier Uhr).
Zunächst planten wir die Etappen mit ca. 50 bis 60 Kilometern. Dummerweise stellten wir erst nach dem Buchen der Hotels fest, dass die Etappe zum Schloss Neuschwanstein nicht 50, sondern gute 70 Kilometer mit ca. 900 Höhenmetern einnehmen wird. Dies deshalb, weil das Schloss Neuschwanstein eben nicht ganz auf der direkten Route zwischen Friedrichshafen und Tegernsee liegt. Auf dem Satellitenbild im Routenplaner sieht das nicht so dramatisch aus. Nüchtern betrachtet mussten wir uns eingestehen, niemals zuvor als Familie eine solche Tour gemacht zu haben.
Aufgrund der vorgegebenen Tage über Auffahrt war es nicht möglich, mal schnell einen Zusatztag einzulegen, alle Versuche, einen direkteren Weg zu finden, scheiterten daran, dass dabei einfach munter die Höhenmeter anstiegen. Folglich testeten wir unsere Fitness zuvor mit einer gleich langen Tour durch das Zürcher Oberland. Wir starteten um 7:45 und erreichten das Ziel um 16:00 Uhr.
Auch wenn wir den ‘Test’ bestanden, so wurde uns allen klar, Etappen mit 70 Kilometern sind zwar machbar, verbunden mit einem Museumsbesuch aber anspruchsvoll. Im Falle vom Schloss Neuschwanstein überlegten wir gar, die Besichtigung ein zweites Mal zu buchen, doch hätten wir dann am Folgetag erst um ca. 12 Uhr das Weiterradeln starten können.
Bei angesagten 30 Grad bei den Prognosen erschien uns dies wenig einladend. Wir einigten uns darauf, im Zweifelsfalle die Besichtigung halt sausen zu lassen. Für die übrigen Besichtigungen (Herrenchiemsee, Salzburg, Salzwelten und Graz) planten wir entweder kürzere Etappen oder legten gar einen Ruhetag ein.
Ein letztes Problem vor der Abreise galt es zu meistern: Wie kriegen wir die Fahrräder mit dem Zug mit? Zwar gibt es von München einen EuroCity nach Zürich. Bei diesem können auch Fahrräder transportiert werden, nur konnten wir online nirgends die dazu notwendigen Billette buchen. Letztlich wählten wir die Variante ‘München-Lindau’ mit dem RegioExpress, stand dort doch, die Fahrradtickets könnten im Zug erworben werden.
Nach Auffahrt konnte in Erfahrung gebracht werden, dass bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) relativ einfach die Tickets für die Fahrräder erworben werden können. Das Erwerben eines Billettes von Zürich nach München bei den ÖBB gelingt aber nur, wenn Zürich-Bregenz bzw. Zürich-Lindau und anschliessend ein zweites Ticket bis nach München gebucht wird.
Eine preiswerte Alternative stellen die Bayern-Tickets dar. Dies einmal, weil die Kinder kostenfrei mitreisen, und weiter weil die Fahrscheine preiswert sind. Für aktuell 31 Euro können 2 Erwachsene (inkl. der Kinder) einen ganzen Tag durch Bayern die Bahn, fast alle Busse und viele Schiffe benützen. Einen Wermutstropfen hat das Bayern-Ticket aber, die Billete sind nicht in den IC- und EC-Schnellzügen und unter der Woche auch erst ab neun Uhr gültig.
Der Aufwand, um eine Tour von A bis Z selber zu planen, ist erheblich. Hier bietet das vorliegende Werk einen deutlich leichteren Einstieg. Einmal muss die Strecke nicht erarbeitet werden. Weiter wurde darauf Wert gelegt, dass es an allen Etappenorten mehrere Unterkünfte gibt und ferner gibt das Buch Tipps zum Reisen per Bahn mit Fahrrädern.
‘Per Rad von Zürich nach Graz’ kann aber auch ‘nur’ als Reisebericht gelesen werden — und unabhängig von der hier vorgestellten Route bietet das Buch wertvolle Tipps für möglichst geruhsame Fahrradferien mit der Familie. Hätte uns ein vergleichbares Werk zur Verfügung gestanden, ich denke, wir wären deutlich entspannter durch die Gegend geradelt.
Die hier angegebenen Wegzeiten basieren auf einer Geschwindigkeit von 11 Kilometern und 500 Höhenmetern pro Stunde. Beispiel: 33 Kilometer Weg und 500 Höhenmeter ergeben eine Radlerzeit von 4 Stunden. Diese Angaben dürfte für Kinder um die 11 Jahre realistisch sein, pro Jahr darüber oder darunter dürfte ein Kilometer pro Stunde mehr oder weniger realistisch sein, dies bei einer realistischen Spanne zwischen 5 und 15 Kilometern pro Stunde.
Start: 407 m.ü.M, Ziel: 366 m.ü.M, Min: 351 m.ü.M, Max: 1006 m.ü.M
Weg: 98 Std, 878 km, ↗ 8869m, ↘ 8910m, GPX-Track, KML-Pfad, Karte