Zehn Tage auf dem Sattel Richtung Norden
Wer auf zwei Rädern reist, geniesst die Freiheit, mit wenig Gepäck schnell und unkompliziert vorwärtszukommen. Vor mehr als dreissig Jahren bereiste ich die Länder Frankreich, Spanien, Italien und Österreich in ausgiebigen Radtouren. Einer der Träume von damals blieb — aus welchen Gründen auch immer — bis heute unerfüllt: Die Reise mit dem Velo in den Norden.
Die Familie lechzte nach Strandferien, an Radeln hatte (ausser mir) niemand Lust. Der Kompromiss bestand darin, dass die Familie mit dem Zug nach Schweden reist und ich die Strecke mit dem Rennrad zurücklegen durfte. Wer alleine mit dem Velo reist, dürfte plus/minus — auch im Sommer — problemlos entlang der Strecke eine Unterkunft finden.
Anders sieht es aus, wenn am Ende der Strecke zusammen mit der Familie eine Woche Ferien im Strandhüttchen geplant ist. Hier ist ein frühzeitiges Buchen sehr zu empfehlen. Leider buchten wir das Hüttchen am Strand erst spät im Juni. Nur mit viel Suchaufwand konnten wir nahe von Falkenberg ein Hüttchen auf einem Campingplatz buchen. Wie gesagt, wer im früher (Januar) bucht, dürfte mehr Auswahl haben.
Beim Buchen des Hüttchens (Ferienwohnung) mussten wir die Erfahrung machen, dass alle Vermietungen faktisch über zwei grosse Konzerne abgewickelt werden. Preis und Ausstattung der Angebote gleichen sich bis auf den letzten i-Punkt. Einer der beiden Anbieter wollte uns dabei eine Buchung ‘unterjubeln’, die wir nie tätigten.
Zwar begutachteten wir ein Objekt bei diesem Anbieter genauer (und gaben dabei auch die Adresse ein, um die Details zu erfahren), doch eine Buchung tätigten wir nicht. Das nicht gebuchte Objekt konnte zwar ‘storniert’ werden, doch mühsam war es allemal. Die Reise mit dem Velo von Basel nach Göteborg umfasst eine Strecke zwischen 1’500 und 1’600 Kilometern. Die hier vorgestellte Route ist für Rennräder ausgelegt. Sie folgt dort den Fahrradwegen, wo diese geteert sind, vermeidet aber kleine schottrige Waldsträsschen. Einige ganz kleine nicht geteerte Weglein gibt es allerdings trotzdem, da die Route ansonsten durch mehrere grössere Städte nahe dem Ruhrgebiet geführt hätte. Die Strecke eignet sich nicht für Kinder, gibt es doch mehrere (wenn auch nicht tagesfüllende) Streckenabschnitte, wo einem auch schwere Laster überholen. Auf diesen Streckenabschnitten gibt es zwar oft (aber nicht immer) entlang der Strasse einen Fahrradweg.
Für Rennräder sind diese Wege (gerade in Deutschland) oft eine Qual, da sie voller spitziger Steine, Äste und/oder Glasscherben sind. Oft (innerhalb der Ortschaften) sind es auch nur Gehsteige, die derart mit Randsteinen gespickt sind, dass ein einigermassen flüssiges Fahren völlig unmöglich ist.
Dänemark und Schweden sind diesbezüglich deutlich angenehmer, dort geniesst der/die Radler/in meist auch in Ortschaften Vortritt gegenüber den Automobilisten. Die Wege sind fast immer so angelegt, dass die Randsteine nicht von den Radler/innen, sondern (querlang) von den motorisierten Fahrzeugen zu bewältigen sind.
Zuweilen kann es einem passsieren, dass der/die Radler/in sich auf einer vierspurigen Autostrasse findet, der Übergang zwischen Haupt- und Autostrasse ist vielerorts fliessend, und ja, auch Radwege enden dann und wann sehr urplötzlich, als wären sie weder zu Ende gedacht noch so gebaut.
Im Grossen und Ganzen ist das Verkehrsaufkommen auf der hier vorgestellten Route nicht allzu hoch, es lässt sich daher mit viel Genuss radeln. Damit der Genuss nicht zur Tortur wird, sollte eine gewisse Fitness vorhanden sein. Meine Vorbereitung bestand darin, im Vorfeld einige Male Strecken zwischen 100 und 220 Kilometer zu absolvieren, zu mehr reichte es leider nicht.
Auf der Strecke Basel-Göteborg gibt es zwei Passagen, wo das Velo nicht geduldet wird. Das erste Teilstück umfasst das Fährstück Puttgarden-Rodby. Hier kann das Fahrrad ‘verschifft’ werden. Ebenfalls nicht möglich ist das Radeln über die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö, hier stehen aber gute Zugsverbindungen zur Verfügung (inkl. Platz für die Fahrräder).
Für die Rückreise muss entweder auf Regionalzüge ausgewiechen werden, oder das Rennrad wird verpackt. Mit dem TranZBag Road steht eine Tasche zur Verfügung, die keine 300 Gramm wiegt, womit das Gefährt kostenfrei als Gepäck mitreist, auch in den ICE-Zügen der deutschen Bahn.
In früheren Jahrzehnten (es könnte auch vom letzten Jahrtausend gesprochen werden) reiste ich jeweils mit dem Rennvelo nur mit Rucksack bepackt. Mittlerweile gibt es diverse elegante Gepäcklösungen auch für leichte Fahrräder. Ich entschied mich für eine Lenkertasche mit 6-Liter-Fassvermögen und einen grosse Satteltasche mit 10-Litter-Volumen.
Plötzlich stand viel Stauvolumen zur Verfügung, sodass ich alle Vorsätze, nur das Wichtigste zu packen, über den Haufen warf und mit deutlich zu schwerem Gefährt losfuhr. Dankbarerweise zeigte sich meine Familie bereit, mir nach der ersten Etappe das überflüssige Gepäck abzunehmen.
Einen wichtigen Tipp gilt es an dieser Stelle noch anzubringen: Schweden entwickelt sich in den letzten Jahren rasant zur bargeldlosen Gesellschaft. Berichte im Netz, wonach wer mit Bargeld zahlt, fast schon als Krimineller beäugt wird, sind zwar reichlich übertrieben.
Trotzdem sollte die Reise nach Schweden nicht ohne Kredit- und Debitkarte angetreten werden. Wer mag, kann auch etwas Bargeld mitführen, wobei ich auf dieses verzichtete und ohne Probleme alles mit Kreditkarte zahlte, die Debit-Karte benötige ich dagegen nie.
Zum Abschluss der Einleitung sei hier erwähnt, dass es von der Reise einen nicht kommerziellen (und frei erhältlichen) Film gibt: